VW Golf I – der Ur-Golf

VW Golf I

Der erste Golf der Serienproduktion fährt im März 1974 von den Produktionsbändern in Wolfsburg und ist ab Mai bei den Volkswagen Händlern. Dort, wo über Jahrzehnte der VW Käfer und damit der Heckmotor und Heckantrieb das Bild dominierte, beginnt so endgültig eine neue Epoche: die des quer eingebauten Frontmotors und Frontantriebs. Eingeleitet hatte diese Bewegung kurz zuvor der Scirocco und – als erster Volkswagen Fronttriebler nach dem von NSU übernommenen K70 – der 1973 vorgestellte Passat. Mit dem Golf war nun auch die volumenstärkste Klasse auf die neue Technologie umgestellt worden.

Der von Giorgio Giugiaro und dem Volkswagen Design entworfene Golf I musste als Nachfolger des legendären und mehr als 21,5 Millionen Mal gebauten Käfers der unermesslich großen Erwartung gerecht werden, die Erfolgsgeschichte des bis dato erfolgreichsten Autos der Welt fortzusetzen. Im Frühjahr 1974 konnte sich niemand wirklich sicher sein, dass dies mit dem neuen Auto auch gelingen würde. Doch das moderne und sichere Antriebskonzept, das großzügige Raumkonzept mit einer Heckklappe und umklappbarer Rücksitzlehne und letztlich auch das Design überzeugten derart, dass bereits im Oktober 1976 der einmillionste Golf gefeiert werden konnte.

Volkswagen schrieb damals über die neue Nummer 1 im Programm: „Der Golf bietet ein Maximum an Nutzraum und Sicherheit. Er ist kompromisslos auf die Praxis ausgerichtet. Die tiefe Gürtellinie macht ihn übersichtlich, die abfallende Fronthaube gibt den Blick auf die Fahrbahn bis kurz vor den Wagen frei. Das tief heruntergezogene Heckfenster macht Rück-wärtsrangieren problemlos.” Und das gilt bis heute.

Wie alle Golf danach, so war auch schon die erste Generation ein Spiegelbild des Fortschritts und der automobilen Trends der jeweiligen Epoche. So leitete Volkswagen zum Beispiel mit dem ersten Golf GTI (1976) die Dynamisierung dieser Klasse ein; der Golf D (Saugdiesel, 1976) und der spätere Golf GTD (Turbodiesel, 1982) sorgten für den Durchbruch des Diesel im kompakten Segment. 1979 brachte Volkswagen mit dem Golf Cabriolet – das zeitweise meistverkaufte offene Auto der Welt – frischen Wind in jene Klasse, die im Volksmund zu dieser Zeit längst schon Golf-Klasse hieß. Die weltweiten Absatzzahlen summierten sich: Von der ersten Generation des Golf inklusive aller Derivate wie dem Cabriolet und dem seinerzeit baugleichen Jetta wurden 6,99 Millionen Exemplare auf allen Kontinenten dieser Erde verkauft – 0,87 Millionen Golf pro Jahr. Der Golf hatte sich als würdiger Nachfolger des Käfer erwiesen.

Das Design des Golf I

„Alles begann 1974 mit einer Revolution”, skizziert Klaus Bischoff, seit 2007 Chefdesigner der Marke Volkswagen: „Der Schritt vom Käfer zum Golf war ja wirklich revolutionär. Mit der Umstellung vom luftgekühlten Heckmotor auf den wassergekühlten Frontmotor respektive von Heck- auf Frontantrieb entstand damals ein völlig neues Fahrzeuglayout. Gestalterisch wechselten die Volkswagen Designer in jenen Tagen – dank des legendären Entwurfs von Giorgio Giugiaro – von einer runden in eine eckige Formensprache. Die Hauptdesignelemente des Golf I wie die Silhouette mit der aufrechten, massiven C-Säule, die markanten Radläufe und die typische horizontale Front mit dem schlanken Grill und den nach unten rausragenden Scheinwerfern stecken bis heute in jedem Golf.”

Um wirklich zu verstehen, weshalb der erste Golf – dieser kubische, klare, kompakte Volkswagen – bei seinem Debüt vor 38 Jahren eine Revolution war, muss man zurückblättern in diese Zeit:

Anfang der 70er-Jahre ist plötzlich alles anders. Der Motor arbeitet nicht mehr – wie beim Käfer – hinten, sondern vorn. Gekühlt wird nicht mehr mit Luft, sondern mit Wasser. Und die Zylinderanordnung heißt nicht mehr Boxer, sondern Reihe. Als erstes Modell zeigt der noch von NSU entwickelte und unter dem VW-Label verkaufte K70, dass ein Volkswagen auch mit Frontmotor und Frontantrieb fahrbar ist. Aber der K70 ist nicht mehr als ein Zwischenschritt auf dem Weg in die Zukunft. Die Volkswagen AG nutzt Synergien, verpflanzt Audi-Technik in Volkswagen Modelle und pumpt rund 2,5 Milliarden D-Mark in die produktionstechnischen Grundlagen einer völlig neuen Modellpalette. Das zeigt Wirkung. Zuerst ist im Sommer 1973 der Passat an der Reihe. Im Frühjahr 1974 folgt der Scirocco. Kein Mensch ahnt, dass dieses zweitürige Coupé der technische Vorbote des erfolgreichsten deutschen Autos aller Zeiten sein wird. Es ist immer noch Frühjahr, immer noch 1974, als der erste von bislang mehr als 30 Millionen Golf vom Band fährt.

„Draußen” wissen sie noch wenig über das Auto, mit dem sich ein deutsches Wirtschaftswunder wiederholen wird. Es ist die Zeit der Sonntagsfahrverbote und gefährlich geblümter Tapeten an den Wänden. Es ist das Jahr, in dem die Schweden Agnetha, Benny, Björn und Anni-Frid beim Grand Prix d`Eurovision ihre Show abliefern – die Initialzündung einer Weltkarriere. Es ist das Jahr, in dem Deutschland Fußballweltmeister wird, Bundeskanzler Willy Brandt geht und Helmut Schmidt zehn Tage später kommt. Es ist Mai, und Volkswagen präsentiert der internationalen Presse in München den neuen Golf.

Der neue Volkswagen schlägt sofort ein. Die Journalisten sind begeistert. Und die ehemaligen Käfer-Fahrer sind es auch. Das Ur-Design des Design-Großmeisters – Giorgio Giugiaro mit seiner Karosserieschmiede Italdesign – hat den Geschmack der Zeit auf den Punkt getroffen. Bereits 1971 hatte der italienische Superstar seinen Golf-Entwurf vorgestellt. Im neu aufgebauten Designzentrum in Wolfsburg wird er unter der Regie des damaligen Designchef Herbert Schäfer perfektioniert. Bekommt runde statt eckiger Augen und die vielleicht bekannteste C-Säule der Welt. Eine C-Säule die so aussieht, wie sie sich schreibt! Interessant: Als der aktuelle Golf VII entstand, hatte das Team um den Volkswagen Chefdesigner Klaus Bischoff auch einen Golf I im Studio stehen. O-Ton aus dem Team: „C-Säulen waren zuvor ja nur da, weil sie ein Dach getragen haben, aber 1974 waren sie kein Design-Thema. Das wurden sie erst mit dem Golf.”



Quelle: Volkswagen